
© Gregory Crewdson Courtesy Gagosian
Hannover: Foto-Ausstellung „TRUE PICTURES?“
Das Sprengel Museum Hannover zeigt noch bis 13. Februar 2022 kanadische und US-amerikanische Fotografie von 1980 bis heute. Zu den Künstlerinnen und Künstlern gehören Cindy Sherman, Nan Goldin, Jeff Wall, Walead Beshty, Carrie Mae Weems und Martine Gutierrez.
Die 1980er-Jahre bedeuteten einen tiefen Wandel in der Geschichte der Kunstfotografie. Zu dieser Zeit wurden in Nordamerika die Weichen für die künstlerische Vielfalt gestellt, die dem Genre bis heute den Weg weisen.
Diesem bislang nicht geschriebenen Kapitel einer Bildform der nordamerikanischen Fotografie seit 1980 widmen die Kuratoren Stefan Gronert und Benedikt Fahrnschon die umfassende Ausstellung.
„Damals artikulierte sich ein neuer Anspruch der Fotografie und erweitere ihre Rezeption“, erklärt Gronert. Entscheidende Impulse lieferte zum einen die Ende der 70er-Jahre auflebende Appropriation Art (Kunst der Aneignung), für die sich das Medium Fotografie besonders eignet, zum anderen Jeff Wall mit seinen großformatigen, in Leuchtkästen präsentierten Werken.“
Mit 339 Bildern - Leihgaben und Werken aus der Sammlung des Sprengel Museum Hannover - bietet TRUE PICTURES? den bislang umfassendsten Überblick über das fotokünstlerische Schaffen in Kanada und den USA der letzten 40 Jahre. Die Besucher können die Entwicklung von 1980 bis zur Gegenwart als Folge dreier Künstlergenerationen und ihrer Bezüge auf- und untereinander nachvollziehen.
Im ersten Teil offenbart sich der Wandel vom traditionellen dokumentarischen Stil zu einer reflektiert autonomen künstlerischen Fotografie, für die bekannte Namen wie Cindy Sherman, Nan Goldin und eben Jeff Wall stehen - zentrale, heute längst etablierte Positionen, die als Einführung in die unmittelbare Gegenwart fungieren.
Zur nächsten Künstlergeneration, die die Ausstellung vereint, gehören unter anderem Gregory Crewdson, Liz Deschenes und Lorna Simpson, die sich, bereits im digitalen Zeitalter agierend, noch selbstverständlicher mit dem „autonomen Bild“ beschäftigen.
Neben vielfach politisch aufgeladenen Positionen finden sich verstärkt neue subjektive, medienkritische oder gattungsübergreifende Ansätze.
Augenfälliger wird der bildgeschichtliche Wandel der Generation jener Künstler, die in den 70er-Jahren und später geboren wurden. Bei ihnen ist der klassische Gegensatz von Politik und Kunst als Spannung im Werk selbst aufgehoben, wie etwa der Ansatz von Trevor Paglen zeigt.
Zudem gewinnen das Thema von gesellschaftlicher Identität sowie Fragen von Gender und Sexualität an Bedeutung. Dafür stehen unter anderem die Arbeiten von Xaviera Simmons, LaToya Ruby Frazier - der das Kunstmuseum Wolfsburg im Rahmen der Kooperation TRUE PICTURES? aktuell eine Einzelschau widmet – oder Martine Gutierrez, deren Werk „Body En Thrall“ das Plakatmotiv der hannoverschen Ausstellung stellt.
Als fotografisches Trompe-l’oil inszeniert medial geprägte Schönheitsideale spiegelnd, wirft Gutierrez‘ Werk auf formaler wie inhaltlicher Ebene Fragen nach dem „wahren Bild“ auf. In und mit ihren Arbeiten sucht Gutierrez nach zeitgenössischer Indigenität und nach Wegen, die die Grenzen zwischen Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit zu verwischen vermögen.
Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt fotografischer Bilder ist nicht neu, in Zeiten der digitalen Bilderflut jedoch aktuell wie nie. Realität oder Inszenierung, Schnappschuss oder nachgestellter Moment, Deep Fake oder Tatsache? Die Rolle fotografischer Bilder ist für die Konstruktion von Erzählungen ungebrochen, auch wenn die Möglichkeiten der Bildmanipulation weithin bekannt sind.
„Der Zeitpunkt für diese Ausstellung könnte nicht aktueller sein“, findet Direktor Reinhard Spieler. „Nach den traumatisierenden Erfahrungen mit der Trump-Administration, die auch die Frage nach Fakten und Wahrheiten neu gestellt und Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung von Bildern gehabt hat, ergibt sich jetzt die Möglichkeit einer Revision und Neubewertung in unserem Blick auf Nordamerika.“
INFORMATIONEN
Zu den drei Ausstellungen TRUE PICTURES? in Braunschweig, Wolfsburg und Hannover erscheint ein umfangreiches Begleitprogramm, das online verfügbar ist auf www.sprengel-museum.de
Die 1980er-Jahre bedeuteten einen tiefen Wandel in der Geschichte der Kunstfotografie. Zu dieser Zeit wurden in Nordamerika die Weichen für die künstlerische Vielfalt gestellt, die dem Genre bis heute den Weg weisen.
Diesem bislang nicht geschriebenen Kapitel einer Bildform der nordamerikanischen Fotografie seit 1980 widmen die Kuratoren Stefan Gronert und Benedikt Fahrnschon die umfassende Ausstellung.
„Damals artikulierte sich ein neuer Anspruch der Fotografie und erweitere ihre Rezeption“, erklärt Gronert. Entscheidende Impulse lieferte zum einen die Ende der 70er-Jahre auflebende Appropriation Art (Kunst der Aneignung), für die sich das Medium Fotografie besonders eignet, zum anderen Jeff Wall mit seinen großformatigen, in Leuchtkästen präsentierten Werken.“
Umfassender Überblick
Mit 339 Bildern - Leihgaben und Werken aus der Sammlung des Sprengel Museum Hannover - bietet TRUE PICTURES? den bislang umfassendsten Überblick über das fotokünstlerische Schaffen in Kanada und den USA der letzten 40 Jahre. Die Besucher können die Entwicklung von 1980 bis zur Gegenwart als Folge dreier Künstlergenerationen und ihrer Bezüge auf- und untereinander nachvollziehen.
Im ersten Teil offenbart sich der Wandel vom traditionellen dokumentarischen Stil zu einer reflektiert autonomen künstlerischen Fotografie, für die bekannte Namen wie Cindy Sherman, Nan Goldin und eben Jeff Wall stehen - zentrale, heute längst etablierte Positionen, die als Einführung in die unmittelbare Gegenwart fungieren.
Zur nächsten Künstlergeneration, die die Ausstellung vereint, gehören unter anderem Gregory Crewdson, Liz Deschenes und Lorna Simpson, die sich, bereits im digitalen Zeitalter agierend, noch selbstverständlicher mit dem „autonomen Bild“ beschäftigen.
Neben vielfach politisch aufgeladenen Positionen finden sich verstärkt neue subjektive, medienkritische oder gattungsübergreifende Ansätze.
Fragen der Identität
Augenfälliger wird der bildgeschichtliche Wandel der Generation jener Künstler, die in den 70er-Jahren und später geboren wurden. Bei ihnen ist der klassische Gegensatz von Politik und Kunst als Spannung im Werk selbst aufgehoben, wie etwa der Ansatz von Trevor Paglen zeigt.
Zudem gewinnen das Thema von gesellschaftlicher Identität sowie Fragen von Gender und Sexualität an Bedeutung. Dafür stehen unter anderem die Arbeiten von Xaviera Simmons, LaToya Ruby Frazier - der das Kunstmuseum Wolfsburg im Rahmen der Kooperation TRUE PICTURES? aktuell eine Einzelschau widmet – oder Martine Gutierrez, deren Werk „Body En Thrall“ das Plakatmotiv der hannoverschen Ausstellung stellt.
Als fotografisches Trompe-l’oil inszeniert medial geprägte Schönheitsideale spiegelnd, wirft Gutierrez‘ Werk auf formaler wie inhaltlicher Ebene Fragen nach dem „wahren Bild“ auf. In und mit ihren Arbeiten sucht Gutierrez nach zeitgenössischer Indigenität und nach Wegen, die die Grenzen zwischen Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit zu verwischen vermögen.
Die Wahrheit der Bilder
Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt fotografischer Bilder ist nicht neu, in Zeiten der digitalen Bilderflut jedoch aktuell wie nie. Realität oder Inszenierung, Schnappschuss oder nachgestellter Moment, Deep Fake oder Tatsache? Die Rolle fotografischer Bilder ist für die Konstruktion von Erzählungen ungebrochen, auch wenn die Möglichkeiten der Bildmanipulation weithin bekannt sind.
„Der Zeitpunkt für diese Ausstellung könnte nicht aktueller sein“, findet Direktor Reinhard Spieler. „Nach den traumatisierenden Erfahrungen mit der Trump-Administration, die auch die Frage nach Fakten und Wahrheiten neu gestellt und Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung von Bildern gehabt hat, ergibt sich jetzt die Möglichkeit einer Revision und Neubewertung in unserem Blick auf Nordamerika.“
INFORMATIONEN
Zu den drei Ausstellungen TRUE PICTURES? in Braunschweig, Wolfsburg und Hannover erscheint ein umfangreiches Begleitprogramm, das online verfügbar ist auf www.sprengel-museum.de
© Text: Sprengel Museum